900 Tage
[01.10.2014 22:00:21 | Bolivien | 3 Kommentare]
Der Kopf voller Ideen, die Platte voller Fotos, die Reisekasse leer. Zeit ein Winterlager auf zu suchen, Ideen und Bilder sortieren, die Kasse auffüllen. Nach zwei Jahren Südamerika auch Zeit Familie und Freunde zu wieder zu sehen, den Neffen Flausen in den Kopf zu setzen und das Papier einfach mal wieder fallen zu lassen - Südamerikareisende wissen genau was gemeint ist.
900 Tage hab ich aus meinen Packtaschen gelebt, bin geblieben wo ich wollte, wie lang ich wollte, mit wem ich wollte. Bin mit offenem Mund staunend unter dem unglaublichen Sternenhimmel der Atacamawüste gesessen, hab in 5000m Höhe auf dem Rad mit Sand, Steigungen und Sauerstoffmangel gekämpft, bei eisigem Bergwasser, frischen Fruchtsäften oder feinstem Rotwein mit Menschen aus der ganzen Welt über das Leben, das Universum und den ganzen Rest philosophiert und hunderttausend Dinge mehr getan, gesehen, gehört, gefühlt. Diese Freiheit, diese Unabhängigkeit, diese nur von der eigenen Neugierde getrieben sein, das möchte ich nicht mehr missen.
Wie es weiter geht? Für ein paar Monate werden die Packtaschen in Deutschland stehen. Doch dann soll es auf jeden Fall wieder auf Achse gehen. Bis dahin wird neben der Reisekasse auch das Blog hier gefüllt, ergänzt und überarbeitet. 400GB an Rohdaten allein von diesem Jahr warten auf’s sichten, sortieren, bearbeiten und veröffentlichen, dazu noch eine lange Liste an anderen Ideen die ausgebrütet, bequatscht und (vermutlich) verworfen werden müssen… Genug zu tun.
Jetzt muss ich erst mal packen, morgen geht der Flieger.
Ganz weit im Süden - #222 Antarctica erreicht
[01.09.2014 21:50:36 | Antarktis | 3 Kommentare]
Antarktis. Kalt, abweisend, lebensfeindlich. Traumziel für einen der als Kind „Entdecker“ werden wollte. Die Helden der Kindheit: Amundsen, Scott, Shackleton. Logbücher und Expeditionsberichte statt Comics. Ich stehe mit einer abenteuerlustigen Reisefrau im Hafen von Ushuaia. Kein klappriges Segelschiff wartet auf uns, ein ausgewachsenes Kreuzfahrtschiff liegt am Kai. Begrüßung an der Gangway: „Ihr müsst die zwei Deutschen sein!“ - „ähm, ja warum?“. Breites Grinsen; „Wir haben 166 Chinesen und euch zwei an Bord“. Kulturabenteuer zum Antarktisabenteuer.
Vorweg: moderne Antarktis „Expeditionen“ Kreuzfahrten haben mit den alten Expeditionen so viel gemein wie ein Eselkarren mit dem neusten Modell von $DeutscherPremiumAutoHersteller
. Die größte Herausforderung besteht darin das all abendliche 3 Gänge Menü (Shrimp Cocktail statt Skorbut!) dort zu behalten wo es hingehört. Was nicht immer gelingt.
Statt Monate – oder gar Jahre – auf See, verbringen wir nur 15 Tage (All inklusive und stets umsorgt) an Board, 7 Landgänge werden es am Ende sein. Damit unterwegs keine Langeweile aufkommt: Programm. Erfreulicherweise hat man auf Bespaßungsprofis verzichtet und stattdessen ein paar richtige Profis an Bord geholt. Geologe, Fotograf, Historiker, Ornithologe, Biologe – es gibt Vorträge. Klar ein bisschen traditionelles gibt’s auch. Captains Dinner, BBQ an Deck, Livemusikabend, Kostümparty und original – aber ja doch! – chinesisches Karaoke. Dazu Pflichtprogramm: Notfallübung, Sicherheitsbriefing, Umweltschutz inkl. Kleidung / Ausrüstung absaugen und Schuhe desinfizieren.
Auf Schlauchbooten an Land. Hunderte Pinguine, wildes Getümmel am Strand, dichte Grüppchen, ständig watscheln einzelne dazwischen hin und her, lautes kreischen der jungen nach Futter, lautes kreischen der alten gegen Konkurrenten, fleißiges Nest bauen, apathisches Brüten, müdes Strecken, heftiges streiten, zärtliches Begrüßen, knarzendes Funkgerät, rauschender Außenborder. Zu schnell zurück.
Anderer Strand, andere Kolonie, die Kamera steht klickend auf dem Stativ. Ein paar Meter weiter inspizieren Pinguine meinen Packsack. Langsam bewege ich mich näher. Irgendwann entdecken sie mich, halten mich für interessanter, bewegen sich auf mich zu. Einer pickt an meiner Jacke herum, dann am Handrücken, schließlich an den Fingern. In der Antarktis attackiert von wilden Pinguinen. Ich kann nicht aufhören zu grinsen.
Routinierter Vladimir am Außenborder. Er findet zuverlässig die interessanten Stellen. Keine 10 Meter vor dem Schlauchboot schwimmt ein Seeleopard. Im Maul ein Pinguin, den Kopf wirft er hin und her, zieht so dem Pinguin die Federn über den Kopf - wörtlich. 5 Minuten später umkreisen wir eine Eisscholle, darauf ein Seeleopard, schlafend. Ganz nah kommen wir heran. Müde hebt das Tier den Kopf, begutachtet halbschlafend die klackende Kamerameute, gähnt fotogen, lässt sich nicht weiter stören, schläft weiter. Die nächste Eisscholle, der nächste Seeleopard. Wieder kommen wir ganz nah heran ohne dass das Tier einen irgendwie bedrängten Eindruck macht. „Buckelwal“ knarzt das Funkgerät, Vladimir wendet das Schlauchboot, gibt Gas. Zwei weitere Schlauchboote markieren unser Ziel. Vor ihnen dümpelt im Wasser ein riesiger dunkler Fleck. Ab und an zischt eine Fontaine hoch. Wir warten auf was jeder hier wartet: das majestätische Abtauchen, gekrönt durch die aus dem Wasser ragende Fluke. Der Moment kommt, ist viel zu schnell vorbei, brennt sich tief ins Hirn. Die glänzende glatte schwarze Oberfläche der Fluke, Wasser das davon abperlt, der sanfte Bogen in dem sie sich aus dem Wasser hebt, der Moment in dem die gemusterte Unterseite erscheint, die viertel Sekunde in der sie scheinbar schwerelos senkrecht gen Himmel ragt, die vollendete Eleganz mit der die Fluke schließlich ins Wasser schneidet, das leichte kräuseln das an der Wasseroberfläche zurückbleibt. Vladimirs Funkgerät knarzt, wir müssen zum Schiff zurück. Alles betteln und plagen hilft nicht, der Kapitän hat gerufen.
Abends an der Bar. Aus der Paradise Bay hab ich ein Stück herumtreibendes Eis gefischt. Vom Gletscher abgebrochen, dunkel, klar, alt. Ein Whiskey mit Antarktiseis, das muss schon sein. Genuss auf eigene Gefahr, der Barkeeper übernimmt keine Verantwortung für die Eisqualität. Klar. Auf eigene Gefahr auch der längere Aufenthalt in der Bar. Das original chinesische Karaoke System läuft, der Sänger – bleiben wir höflich – hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht. Gut das es nur chinesische Songs gibt, sonst käme womöglich heraus dass ich da kein Stück besser abschneiden würde.
Südgeorgien. Die letzte Station der Reise. Hier – genauer in Grytviken - endete Shackletons heroische Rettungsfahrt, hier endete sein Leben, hier fand er seine letzte Ruhe. Natürlich steht ein Besuch am Grab an, natürlich posiere ich für ein Foto. 1904 gegründet und 1966 mehr oder weniger aufgeben erzählt Grytviken rostig die hiesige Walfanggeschichte. Tausende Wale wurden vor der Küste gejagt und hier zerlegt, verarbeitet, verschifft. Heute fängt man nur noch Touristen. Museum, Postamt, Souvenirshop. Den Hauptumsatz scheint man mit Royal Family Devotionalien zu machen, man ist schließlich britisch. Vielleicht brauchen aber auch die Handvoll britischer Offiziere beständigen Nachschub an „Royal Baby – collectors edition“ Tassen um den Anspruch des Empires auf dieses Fleckchen Erde ordnungsgemäß aufrechterhalten zu können. Viel faszinierender ist sowieso was in den anderen Buchten der Insel passiert. Hier nämlich, hier herrscht eine wahrlich königliche Familie, die der Königspinguine. Zehn-, nein hundert tausende Punkte säumen das Ufer. Wir landen an und stehen inmitten einer riesigen Kolonie Königspinguine. Wieder wildes Getümmel, lautes Gekreische, kleine braune Küken buhlen um Aufmerksamkeit der knapp ein Meter großen Alten, Raubmöwen im Tiefflug auf der Suche nach einfachen Opfern, Seehunde schlafend am Rand, riesige Seeelefanten streitend daneben, ein gigantisches Meer an schwarz-gelben Köpfen… Jede Sekunde, jede Richtung verdient Aufmerksamkeit, überall faszinierendes, ständig. Zwischendurch verlieren sich meine Augen für ein paar Sekunden am Horizont, das Kreischen klingt dumpf entfernt, mein Kopf kann nicht glauben wo ich bin, was ich sehe, was ich erlebe. Immer wieder.
Heinrich meint: "Der Temperaturbereich ist äußerst angenehm und endlich mal wieder vernünftig Schnee unter den Hufen! Auch am Salatbüffet hab ich mich ganz wohl gefühlt, leider war die Whiskeyauswahl in der Bar unter ferner liefen! Nicht Eineinziger Singlemalt auf der Karte! Hallo?!?! Und mal im Ernst. Hunderte Kilometer auf einem schaukelnden Schiff ohne Elchdamen (na gut, es war ein schnuckeliger Käfer mit an Bord) um dann für ein paar Minuten flugunfähige Vögel dabei zu beobachten wie sie zu doof dazu sind stehend aus dem Wasser zu kommen. Ich weiss nicht. Dazu überhaupt kein Grün. Selbst das Zeug was auf Südgeorgien wächst schmeckt nur den paar einfältigen Rentieren die man dort ausgesetzt hat. Nett, aber auf Dauer nix für einen ordentlichen Elch."
Aus Gründen™ gibt es ein längeres Video zum Antarktistrip erst später. Danke für's Verständnis.
A nomad's life
[04.06.2014 18:07:47 | Argentinien | Ein Kommentar]
Die letzten anderthalb Jahre unterwegs als Nomade in Südamerika. Eine Rückschau.
Eine quasi Fortsetzung meines Nordeuropa Videos.
Platz #4 Osterinsel erreicht
[14.04.2014 19:10:15 | Chile | Ein Kommentar]
Vorbemerkung: in einigen Programmiersprachen markiert ein $ am Anfang eines Wortes eine sogenannte Variable. Zur besseren Lesbarkeit werden als Variablenname gerne Begriffe verwendet die Rückschlüsse auf ihren Inhalt zulassen. $Vorname steht also sehr wahrscheinlich für einen beliebigen Vornamen, z.B. Stefan oder Heinrich.
Auf der Liste der durchgeknallten Dinge die der Mensch in seiner – an durchgeknallten Dingen äußerst reichen – Geschichte erschaffen hat, dürfte „Moai“ recht weit oben stehen. Fast 900 dieser steinernen Statuen stehen und liegen auf Rapa Nui herum. Größe: kolossal, Zweck: unbekannt. Dazu eine bis heute nicht entschlüsselte Schrift, eine Ladung ominöser Kunst- und Kultgegenstände, ein paar schwammig überliefert Riten, fertig ist die mystische Hochkultur. Dass die dann auch noch ziemlich plötzlich vom Erdboden verschwunden ist passt da bestens ins Bild.
Ein paar Fakten: Rapa Nui – bekannter vielleicht als Osterinsel –mit 160km² so groß wie Liechtenstein oder Disney World, Florida, ca. 24 km lang und 13km breit und liegt mitten im Pazifik. 3500km bis zum chilenischen Festland, die nächsten bewohnte Insel gut 2000km entfernt, 5800 Einwohner, subtropisches Klima, karge Landschaft. Soweit so unspektakulär. Wären da nicht eben jene Moai. Der „Max Mustermoai“ ist im Schnitt 4m groß und 12 tonnen schwer, der höchste je aufgestellte misst knapp 10m, ein unfertig liegen gebliebener gar stolze 21m. Ohne Metallwerkzeug aus massivem Fels gemeißelt, oft kilometerweit über die Insel geschafft und aufgerichtet, einigen wurde auch noch ein tonnenschwerer, roter „Hut“ aufgesetzt.
Über das Wer und Warum lässt sich fast nur spekulieren. Einschlägige Experten vertreten unterschiedliche Meinungen, Einheimische erzählen wunderliche Legenden und beim Sonnenuntergang im Schatten eines Moai lässt sich trefflich eine eigene Geschichte zusammenphantasieren. Die (derzeit) bevorzugte Meinung ist eine Besiedlung irgendwann im 5. Jahrhundert von Westen her. Ob das durch eine Gruppe heroischer Entdecker, visionärer Künstler, unnützer Telefondesinfizierer, fieser Raubkopierer oder / oder religiöser Fanatiker geschah, vermag keiner mehr mit Sicherheit zu sagen. Wahrscheinlich haben die fiesen Raubkopierer kleine Steinstatuen nachgemacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte Steinstatuen sich verschafft und in Verkehr gebracht und wurden daher mit Exil nicht unter Lebenslang bestraft. Also setzt man die Schuldigen kurzerhand in ein paar Doppelrumpfkanus mit Kurs gen Westen und packt, weil es sich gerade anbietet, noch die faulen Telefondesinfizierer und die religiösen Fanatiker dazu. Man will endlich seine Ruhe haben. Entgegen jeglicher statistischer Wahrscheinlichkeit landet der bunte Haufen nach ein paar tausend Kilometern lebend auf einem einsamen Eiland und nennt es Osterinsel Rapa Nui. Die Raubkopierer können hier endlich nach Herzenslust und abmahnungsfrei Steinfiguren klopfen, die Fanatiker ungestört herumfantasieren und hasspredigen und die Telefondesinfizierer - mangels Telefonen - den ganzen Tag faul am Strand herum liegen. Irgendwann kommt dann der Hunger aber keiner ist da der sich ums Essen kümmert. Als Standesgemäßer Fanatiker ist man ja tendenziell eher faul aber phantasievoll, also erklären die Fanatiker den Telefondesinfizierern dass die Raubkopierer die Steinstatuen wegen $wichtigerGrund
aus dem Fels klopfen, $großesUnglück
droht wenn die Statuen nicht $wichtigeEigenschaft sind und wer sich brav zu Tode schuftet, auf den wartet im Jenseits zusätzlich $unglaublicheBelohnung, für alle anderen gibt’s $unendlicheStrafe. Wer nicht helfen will wird kurzerhand für ein aktuelles $Unglück verantwortlich gemacht (nur logisch, er hat ja $Gott erzürnt) und wird zur Motivation aller anderen öffentlich $schwereStrafe. Die Telefondesinfizierer kümmern sich also ab sofort hoch motiviert um die logistische Unterstützung der Steineklopfer und Fanatiker. Für die nächsten paar hundert Jahre funktioniert das ganz hervorragend, die Statuen werden größer, mächtiger und schöner, die Fanatiker tragen tolle Hüte, erfinden lustige Tänze und schnitzen kunstvolle Kultgegenstände, aus den Telefondesinfizierern werden langsam aber sicher professionelle Agrarökonomen und sogar das karge Landesinneren wird besiedeln. Zwischendurch kloppt man sich ein bisschen wer die schönste / tollste / größte Steinfigur hat, spaltet sich in ein paar Sippen auf, schließt Allianzen, bricht sie, klaut den anderen Kultgegenstände / Essen / Frauen, benimmt sich also weitestgehend so wie man es von einer anständigen Hochkultur jener Zeit erwarten kann. Und wie das Hochkulturen so an sich haben, strebt man weiter höher und höher; klar, die neuen Steinfiguren dürfen keinesfalls weniger $wichtigeEigenschaft als die der Vorgänger sein. Die kleine Insel bietet nur äußerst übersichtliche Ressourcen und so verwundert es kaum, dass man sich irgendwann um die Sicherung der Handelswege und Steinquellen kümmert. Ab ca. 1500 entwickelt die lokale Rüstungsindustrie HighTech Speere mit scharfen Obsidianklingen, Überfälle und Kriege nehmen zu, die Fanatiker wiegeln immer weiter auf. Nicht aus zudenken wenn heraus käme das der ganze quatsch mit den Steinfiguren klopfen wegen $wichtigerGrund überhaupt nichts mit $großesUnglück zu tun hat, die Sache mit $unglaublicheBelohnung nach dem Tod auch auf äußerst wackeligen Beinen steht und das ganze womöglich nur dazu dient den Fanatikern ein schwer gemütliches und lustiges Leben zu ermöglichen. Und sowieso, eigentlich würden die meisten am liebsten wieder Telefone desinfizieren und den ganzen Tag (das Telefon wurde ja noch nicht erfunden) am Strand herum lungern statt für irgendwelche schwammigen Versprechungen zu schuften. Irgendwann ab Mitte des 17. Jahrhunderts ist es dann soweit: Die Gewerkschaft der Steineklopfer ruft zum Generalstreik, es werden keine weiteren Statuen mehr produziert, die Agrarökonomen sind eh schon viel zu lange ausgebeutet worden und warten nur so auf einen Anlass zur Revolution und die Fanatiker verlieren den größten Teil ihrer Glaubwürdigkeit als $großesUnglück trotz eingestellter Statuenproduktion überraschenderweise ausbleibt. Als dann auch noch die ersten Europäischen Touristen vorbeischauen zerbröselt das eh schon angeschlagene Weltbild weiter. 1722 wird von noch intakten Anlagen berichtet, bereits 50 Jahre später sind die Zeremonienanlagen aufgegeben, die Moai umgeworfen, das Weltbild der Fanatiker endgültig zerplatzt. Was danach folgt ist die einigermaßen gut dokumentierte (und üblicherweise schlecht aufgearbeitete) klassische Vergewaltigung eines indigenen Volkes durch europäische „Entdecker“ mit all ihren grausamen Ekelhaftigkeiten und ekelhaften Grausamkeiten.
Februar 2014. In den ersten zwei Wochen des Monats findet mit dem Tapati Festival das wichtigste und größte Fest auf Rapa Nui statt. Eine wilde Melange aus sportlichen Wettkämpfen und moderner Unterhaltung, aus historischem konservieren und touristischer Attraktion, überlieferten Riten und aufgesetztem Brauchtum. Mittags werden die Götter mit einem archaischen Ritual inklusive Hühnchen (klar, was sonst?) gnädig gestimmt, um anschließend auf zusammengebundenen Bananenstauenden einen ziemlich steilen Hang herunter zu schießen, abends spielen Herren mit Hemd und Federschmuck Akkordeon. Man misst sich im Speerwerfen, Paddeln und Schwimmen, im Schminken und Schmücken, im Tanzen und Turnen. Ab und an grenzwertig gezwungen oft aber wunderbar ehrlich und manchmal mit angenehm wenig Rücksicht auf die anwesenden Touristen, mich eingeschlossen. Dazu die beeindruckenden Zeremonienanlagen, die vielen kleinen und großen kultischen Stätten, dieses äußerst kleine Eiland mit dieser äußerst großen Kultur. Während der ganzen Zeit auf der Insel fühle ich mich wie ein Kind, entdecke ständig neues, verstehe alles und begreife nichts.
Heinricht meint: "Na also die Insel ist ja schon schwer beeindruckend. So Steintypen haben wir in Schweden nicht. Es hat zwar an Elchdamen gemangelt, andererseits hab ich einen ganz süßen und aufgeschlossenen Käfer kennengelernt. Mit dem hab ich dann die Insel unsicher gemacht. Stefan war eh die ganze Zeit nur am Filmen und knipsen, Sonnenaufgang hier, Untergang da, Vollmond dort. Manmanman, war der unentspannt!"
swimming Easter Island
Platz #111 Aconcagua erreicht!
[26.01.2014 19:25:16 | Argentinien | 3 Kommentare]
Aconcagua. 6962 Meter hohes Bürokratiemonster. Der Besuch erfordert ein Permit, ausschließlich in Mendoza zu erwerben. Tatort Av. San Martin Nr. 1182, 2. Stock, Aconcagua Nationalpark Verwaltung. Zuerst ein Onlineformular ausfüllen. Name, Geburtsdatum, vollständige Adresse, Mobil- und Telefonnummer, Passnummer, E-Mailadresse, Geschlecht, Blutgruppe. Dann gewünschte Tour bzw. "Tarif" auswählen (Telekom und Deutsche Bahn waren wohl beratend tätig): Aufstieg Route A oder B, 1, 3 oder 7 Tage Trekking, Halbtagesausflug, mit Agentur (nur Lizensierte! List beachten!) oder ohne, Argentinier, Lateinamerikaner oder sonstiger Ausländer, ggf. geplante Aufstiegsroute (sehr schön als "upgrade path" bezeichnet!), Anzahl der Expeditionsmitglieder, Guide (aus Liste auswählen, nur Lizensiert!), Name des Expeditionsleiters, ggf. andere Tour Anbieter, Notfallkontakt, Versicherung inkl. Details, medizinische Daten (lange Liste), ggf. GPS Trackingsystem inkl. Zugangsdaten. Für mich 3 Tage Trekking, Hochsaison, sonstiger Ausländer, kein Tour Anbieter, keine Guide, allein, im Notfall Mama anrufen, gesund - bis auf Brille (ja, muss man angeben). Vom Computer zum Menschen wechseln. Mensch eins scheitert an meinem Namen, findet meinen Antrag nicht - Sonderzeichen sind etwas Hässliches. Schließlich wird der Antrag gefunden, Angaben mit Pass abgeglichen, ausgedruckt. Unter kontrollierenden Blicken darf ich die drei Seiten aufmerksam lesen (formuliert wie eine Lizenzvereinbarung - unverständlich) und unterschreiben. Nach Anweisung des Herrn das Gebäude verlassen, einen halben Block weiter in einem schmuddeligen Kiosk den Antrag plus ein Bündel Scheine an Mensch zwei reichen. Der Scannt einen Barcode, vergleicht Ausdruck und Bildschirm, zählt das Bündel (dreimal), prüft zwei Scheine genauer, druckt eine Quittung, tackert die an den Antrag, Stempelt beides, unterschreibt irgendwas und entlässt mich. Zurück zum Büro. Den nun bestempelten Antrag und den Reisepass an Mensch drei übergeben, nicht bevor Mensch eins freundlich weiterverwiesen hat. Angaben auf Pass und Antrag werden geprüft, Übereinstimmungen mit gelbem Signalmarker angestrichen und mit Häkchen versehen. Ist der Antrag gelb genug folgen drei Unterschriften und die Blätter werden ohne Umweg direkt [sic!] an Mensch vier geleitet. Barcodescanner piepsen, vergleichende Blicke zwischen Papier und Bildschirm, ein bisschen Tastaturklappern, ein wenig Mausklicken, anerkennendes Nicken, die drei Seiten Antrag verschwinden in drei unterschiedlichen Schubladen. Ein Drucker rattert. Das Druckergebnis - das Permit - geht an Mensch fünf. Ausweis und Permit nochmal überprüfen, Passnummer und Name gelb markieren, das neue Dokument dreimal unterschreiben, dreimal stempeln. Am Parkeingang (ich greife vor) werden Ticket und Pass von Mensch sechs verglichen, einige Angaben in ein Buch übertragen, eine Nummer drei mal auf dem Ticket, in einem Buch und auf einer Plastiktüte vermerkt, drei mal knallt ein Stempel, dreimal folgt eine Unterschrift, das obere Ticketdrittel in einer Schublade verstaut. Die übliche Belehrung (Wege nicht verlassen! kein Feuer! kein wildes Campen! nicht in die Bäche kacken! Strafandrohung!) und einige weitere eindringliche Hinweise folgen. Der benummerte Plastikbeutel ist der persönlich zugewiesene Müllbeutel der unbedingt (Strafandrohung!) und keinesfalls leer (Strafandrohung!) beim verlassen des Parks abzugeben sei, der Besuch bei den Lagerärzten zwingend erforderlich (Strafandrohung!) und auf den Tickets zu bestätigen (Strafandrohung!) sei, genauso die ordnungsgemäße Benutzung (Strafandrohung!) der zur Verfügung gestellten Toiletten einschließlich Bestätigung (Strafandrohung!) auf dem Ticket und dass ich mit meinem Permit unter absolut keinen Umständen eine Höhe von maximal 4.300 Metern überschreiten (Strafanachleckmich!) dürfe!
Ich wollte doch nur wandern gehen!
Müßig zu erwähnen das Mensch sieben im ersten Lager zwar noch mal Pass und Permit vergleicht aber kein Arzt mich untersucht oder meinen ordnungsgemäßen Stuhlgang bestätigt, keiner meine maximal erreichte Höhe kontrolliert und der Müllbeutel am Ende sang-, klang- und kontrolllos im Container verschwindet.
Per Bus - ich fahre die selbe Strecke ein paar Tag später mit dem Rad - von Mendoza (800m) zum Parkeingang (2850m), zu Fuß weiter bis Camp I, Confluenzia (3400m). Aufstieg zu schnell. Die ungewohnt dünne Luft fordert Tribut, ich bezahle umgehend mit 12 Stunden traumlos tiefem Schlaf. Auch morgens schlaff, matt, müde. Doch Zeit ist hier leider Geld, mein drei Tage Permit kostete 125,- €, verlängern im Park ausgeschlossen. Und zumindest die Südwand, die will ich sehen. Erstaunlich, einmal den müden Körper auf den Weg gezwungen, fällt alle Trägheit ab, gehorcht der Körper gewohnt, folgen die Beine willig dem Pfad. Der schlängelt sich durch eine unwirkliche, unwirtliche Landschaft mit faszinierender Weitsicht und Tiefenschärfe, mit endlos neuen Steinformationen und Farbkombinationen, mit stechendem Himmelblau und gleißendem Gipfelweiß. Am Plaza Francia (4250m) endet der Pfad an den knapp 3000 imposanten Aconcagua Südwandmetern. 4 Kilometer Luftlinie bis zum Gipfel - so unendlich weit weg. Ich sitze lange, starre in die Wand, suche Linien, erliege wilden Besteigungsfantasien und weiß doch dass diese Wand von mir unberührt bleiben wird. Aber der Gipfel, der Gipfel! Klang vor ein paar Tagen die Entscheidung den Aufstieg auf "irgendwann mal" zu verschieben noch vollkommen vernünftig, logisch und rational (Geld! Zeit! Ausrüstung!) so schlägt Herz und Sehnsucht jetzt umso erbarmungsloser zu, lässt mich mit einem gehässigen "ich hab's ja gleich gesagt" einsam am Fuß der Wand sitzen. Irgendwann lärmt mich ein Grüppchen aus den Träumen. Chris, Andy und Jon absolvieren heute eine Akklimatisationstour, auf den Gipfel in den nächsten Tagen. Sie erzählen von vergangenen Touren, spekulieren über zukünftige und schwärmen von der aktuellen. Ihre Realität hetzt meine Sehnsucht wie ein aufgescheuchtes Reh vor sich her bis es weh tut. Ich murmle ein "ciao", drehe Gruppe und Berg den Rücken zu, laufe - nein renne los, möchte flüchten, der Sehnsucht davon sprinten. Das funktioniert nicht eine Minute, schon hat mich die Landschaft wieder eingefangen, bestaune ich meine Umgebung, freue mich ungemein heute hier und ganz "da" zu sein, sauge tief die klare Luft in mich hinein, genieße jeden einzelnen Schritt und weiß ganz sicher, ich werde zurückkommen und oben stehen. Ganz oben und runter schauen, dahin wo ich heute stand.
Heinrich meint: "Kopfweh! Ich hab Kopfweh und nicht mal gesoffen! Boah ist das hoch! Da kann Stefan aber mal schön ganz alleine hoch wenn er denn unbedingt will. Für so einen Elch ist das nix. Da wart ich lieber unten in Mendoza und erkunde ein paar Weinkeller oder besuche die Damen auf den umliegenden Alpakafarmen... Und er braucht gar nicht meinen dass er mit mir die Kohle für nen Packesel sparen könnte! Hallo, geht's noch, was denkt der sich wer ich bin?!?"
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