Platz #4 Osterinsel erreicht
Vorbemerkung: in einigen Programmiersprachen markiert ein $ am Anfang eines Wortes eine sogenannte Variable. Zur besseren Lesbarkeit werden als Variablenname gerne Begriffe verwendet die Rückschlüsse auf ihren Inhalt zulassen. $Vorname steht also sehr wahrscheinlich für einen beliebigen Vornamen, z.B. Stefan oder Heinrich.
Auf der Liste der durchgeknallten Dinge die der Mensch in seiner – an durchgeknallten Dingen äußerst reichen – Geschichte erschaffen hat, dürfte „Moai“ recht weit oben stehen. Fast 900 dieser steinernen Statuen stehen und liegen auf Rapa Nui herum. Größe: kolossal, Zweck: unbekannt. Dazu eine bis heute nicht entschlüsselte Schrift, eine Ladung ominöser Kunst- und Kultgegenstände, ein paar schwammig überliefert Riten, fertig ist die mystische Hochkultur. Dass die dann auch noch ziemlich plötzlich vom Erdboden verschwunden ist passt da bestens ins Bild.
Ein paar Fakten: Rapa Nui – bekannter vielleicht als Osterinsel –mit 160km² so groß wie Liechtenstein oder Disney World, Florida, ca. 24 km lang und 13km breit und liegt mitten im Pazifik. 3500km bis zum chilenischen Festland, die nächsten bewohnte Insel gut 2000km entfernt, 5800 Einwohner, subtropisches Klima, karge Landschaft. Soweit so unspektakulär. Wären da nicht eben jene Moai. Der „Max Mustermoai“ ist im Schnitt 4m groß und 12 tonnen schwer, der höchste je aufgestellte misst knapp 10m, ein unfertig liegen gebliebener gar stolze 21m. Ohne Metallwerkzeug aus massivem Fels gemeißelt, oft kilometerweit über die Insel geschafft und aufgerichtet, einigen wurde auch noch ein tonnenschwerer, roter „Hut“ aufgesetzt.
Über das Wer und Warum lässt sich fast nur spekulieren. Einschlägige Experten vertreten unterschiedliche Meinungen, Einheimische erzählen wunderliche Legenden und beim Sonnenuntergang im Schatten eines Moai lässt sich trefflich eine eigene Geschichte zusammenphantasieren. Die (derzeit) bevorzugte Meinung ist eine Besiedlung irgendwann im 5. Jahrhundert von Westen her. Ob das durch eine Gruppe heroischer Entdecker, visionärer Künstler, unnützer Telefondesinfizierer, fieser Raubkopierer oder / oder religiöser Fanatiker geschah, vermag keiner mehr mit Sicherheit zu sagen. Wahrscheinlich haben die fiesen Raubkopierer kleine Steinstatuen nachgemacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte Steinstatuen sich verschafft und in Verkehr gebracht und wurden daher mit Exil nicht unter Lebenslang bestraft. Also setzt man die Schuldigen kurzerhand in ein paar Doppelrumpfkanus mit Kurs gen Westen und packt, weil es sich gerade anbietet, noch die faulen Telefondesinfizierer und die religiösen Fanatiker dazu. Man will endlich seine Ruhe haben. Entgegen jeglicher statistischer Wahrscheinlichkeit landet der bunte Haufen nach ein paar tausend Kilometern lebend auf einem einsamen Eiland und nennt es Osterinsel Rapa Nui. Die Raubkopierer können hier endlich nach Herzenslust und abmahnungsfrei Steinfiguren klopfen, die Fanatiker ungestört herumfantasieren und hasspredigen und die Telefondesinfizierer - mangels Telefonen - den ganzen Tag faul am Strand herum liegen. Irgendwann kommt dann der Hunger aber keiner ist da der sich ums Essen kümmert. Als Standesgemäßer Fanatiker ist man ja tendenziell eher faul aber phantasievoll, also erklären die Fanatiker den Telefondesinfizierern dass die Raubkopierer die Steinstatuen wegen $wichtigerGrund
aus dem Fels klopfen, $großesUnglück
droht wenn die Statuen nicht $wichtigeEigenschaft sind und wer sich brav zu Tode schuftet, auf den wartet im Jenseits zusätzlich $unglaublicheBelohnung, für alle anderen gibt’s $unendlicheStrafe. Wer nicht helfen will wird kurzerhand für ein aktuelles $Unglück verantwortlich gemacht (nur logisch, er hat ja $Gott erzürnt) und wird zur Motivation aller anderen öffentlich $schwereStrafe. Die Telefondesinfizierer kümmern sich also ab sofort hoch motiviert um die logistische Unterstützung der Steineklopfer und Fanatiker. Für die nächsten paar hundert Jahre funktioniert das ganz hervorragend, die Statuen werden größer, mächtiger und schöner, die Fanatiker tragen tolle Hüte, erfinden lustige Tänze und schnitzen kunstvolle Kultgegenstände, aus den Telefondesinfizierern werden langsam aber sicher professionelle Agrarökonomen und sogar das karge Landesinneren wird besiedeln. Zwischendurch kloppt man sich ein bisschen wer die schönste / tollste / größte Steinfigur hat, spaltet sich in ein paar Sippen auf, schließt Allianzen, bricht sie, klaut den anderen Kultgegenstände / Essen / Frauen, benimmt sich also weitestgehend so wie man es von einer anständigen Hochkultur jener Zeit erwarten kann. Und wie das Hochkulturen so an sich haben, strebt man weiter höher und höher; klar, die neuen Steinfiguren dürfen keinesfalls weniger $wichtigeEigenschaft als die der Vorgänger sein. Die kleine Insel bietet nur äußerst übersichtliche Ressourcen und so verwundert es kaum, dass man sich irgendwann um die Sicherung der Handelswege und Steinquellen kümmert. Ab ca. 1500 entwickelt die lokale Rüstungsindustrie HighTech Speere mit scharfen Obsidianklingen, Überfälle und Kriege nehmen zu, die Fanatiker wiegeln immer weiter auf. Nicht aus zudenken wenn heraus käme das der ganze quatsch mit den Steinfiguren klopfen wegen $wichtigerGrund überhaupt nichts mit $großesUnglück zu tun hat, die Sache mit $unglaublicheBelohnung nach dem Tod auch auf äußerst wackeligen Beinen steht und das ganze womöglich nur dazu dient den Fanatikern ein schwer gemütliches und lustiges Leben zu ermöglichen. Und sowieso, eigentlich würden die meisten am liebsten wieder Telefone desinfizieren und den ganzen Tag (das Telefon wurde ja noch nicht erfunden) am Strand herum lungern statt für irgendwelche schwammigen Versprechungen zu schuften. Irgendwann ab Mitte des 17. Jahrhunderts ist es dann soweit: Die Gewerkschaft der Steineklopfer ruft zum Generalstreik, es werden keine weiteren Statuen mehr produziert, die Agrarökonomen sind eh schon viel zu lange ausgebeutet worden und warten nur so auf einen Anlass zur Revolution und die Fanatiker verlieren den größten Teil ihrer Glaubwürdigkeit als $großesUnglück trotz eingestellter Statuenproduktion überraschenderweise ausbleibt. Als dann auch noch die ersten Europäischen Touristen vorbeischauen zerbröselt das eh schon angeschlagene Weltbild weiter. 1722 wird von noch intakten Anlagen berichtet, bereits 50 Jahre später sind die Zeremonienanlagen aufgegeben, die Moai umgeworfen, das Weltbild der Fanatiker endgültig zerplatzt. Was danach folgt ist die einigermaßen gut dokumentierte (und üblicherweise schlecht aufgearbeitete) klassische Vergewaltigung eines indigenen Volkes durch europäische „Entdecker“ mit all ihren grausamen Ekelhaftigkeiten und ekelhaften Grausamkeiten.
Februar 2014. In den ersten zwei Wochen des Monats findet mit dem Tapati Festival das wichtigste und größte Fest auf Rapa Nui statt. Eine wilde Melange aus sportlichen Wettkämpfen und moderner Unterhaltung, aus historischem konservieren und touristischer Attraktion, überlieferten Riten und aufgesetztem Brauchtum. Mittags werden die Götter mit einem archaischen Ritual inklusive Hühnchen (klar, was sonst?) gnädig gestimmt, um anschließend auf zusammengebundenen Bananenstauenden einen ziemlich steilen Hang herunter zu schießen, abends spielen Herren mit Hemd und Federschmuck Akkordeon. Man misst sich im Speerwerfen, Paddeln und Schwimmen, im Schminken und Schmücken, im Tanzen und Turnen. Ab und an grenzwertig gezwungen oft aber wunderbar ehrlich und manchmal mit angenehm wenig Rücksicht auf die anwesenden Touristen, mich eingeschlossen. Dazu die beeindruckenden Zeremonienanlagen, die vielen kleinen und großen kultischen Stätten, dieses äußerst kleine Eiland mit dieser äußerst großen Kultur. Während der ganzen Zeit auf der Insel fühle ich mich wie ein Kind, entdecke ständig neues, verstehe alles und begreife nichts.
Heinricht meint: "Na also die Insel ist ja schon schwer beeindruckend. So Steintypen haben wir in Schweden nicht. Es hat zwar an Elchdamen gemangelt, andererseits hab ich einen ganz süßen und aufgeschlossenen Käfer kennengelernt. Mit dem hab ich dann die Insel unsicher gemacht. Stefan war eh die ganze Zeit nur am Filmen und knipsen, Sonnenaufgang hier, Untergang da, Vollmond dort. Manmanman, war der unentspannt!"
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