Russland: Apatity bis Petrosawodsk
[23.08.2012 19:06:22 | Russland | 4 Kommentare]
„40 Euro sind viel Geld“ steht auf dem Schild und informiert den potentiellen Schwarzfahrer über die möglichen Konsequenzen seines illegalen Tuns. Ich grinse, bin vermutlich der Einzige der das Schild versteht. Mit Dimitry stehe ich in einem alten Bus. Statt Linie Hanau – Bruchköbel nun Apatity – Kirovsk. Er möchte mir Felswände zeigen an denen er Sportkletterrouten einbohrt. Nicht gerade die üblichste Beschäftigung im Chibinen Gebirge nördlich vom Polarkreis. Eine gute Stunde schlagen wir uns durchs Gebüsch, stehen dann in einem verblockten, schmalen Tal. Hier ist Dimitrys kreativer Spielplatz, hier blüht er auf, hier fühlt er sich wohler als unten in der Stadt.
Unterwegs auf der M18. Lebensader in den hohen Norden. Asphaltiert – wenn nicht gerade gebaut wird. Und gebaut wird viel, auch mal 30, 40 Kilometer am Stück. Sumpfige Landschaft, flache Hügel, endlose Wälder. Mit jedem Meter südwärts wird der Wald „mehr“ Wald. Die vom langen Winter kleingezwungene Flora strebt nach höherem. Tundra wird zu Taiga zu Wald. 800 Kilometer die Strecke von Apatity bis Petrosawodsk, mit dem Rad Zeit genug die Veränderungen wahr zu nehmen, nicht zu erschrecken wenn da „plötzlich“ wieder richtige Bäume stehen.
Der Verkehr schwankt von heftig bis nicht vorhanden, von rücksichtslos bis rücksichtsvoll, vom stinkenden uralt Kamaz LKW bis modernsten Produkten deutscher Premiumhersteller. Hinter manch einer Windschutzscheibe (so vorhanden…) entdecke ich eine gezückte Kamera, kurzes Hupen, „Thumbs up“ oder freundliches Winken. Mehrmals täglich. Ausländische Kennzeichen sind die Ausnahme. Ein britisches Pärchen aus Sheffield lädt mich am Straßenrand kurzerhand zum Kaffee in ihr Wohnmobil, Dennis aus Deutschland – mit dem Motorrad unterwegs (www.eastbiker.de) – schenkt mir einen Kümmerling fürs Abendessen, eine Handvoll finnischer Fahrzeuge rauscht vorbei. Andere Radreisende auf der Strecke? Einer. Vladimir, Arzt aus der Umgebung von Moskau. Er umrundet in 10 Tagen den See Onego. Sein Jahresurlaub. Rad und Ausrüstung abgegriffen, wie so vieles hier.
Unbefestigte Wege führen in den Wald, dort finde ich meine Campingplätze. Weit weg von der Straße wenn möglich, nahe wenn Bärenwarnschilder herumstehen. Hoffentlich sind sie vom Verkehr genervt und bleiben tief im Dickicht. Nie ist die Straße außer Hörweite, Verkehr 24 Stunden, 7 Tage. Das ein oder andere mal stolpert ein Pilzsammler über mich – oder ich über ihn. Immer freundlich, selten einer Fremdsprache mächtig. Gelächter und ungläubige Gesichter wenn ich auf einer kleinen Karte meine Route zeige und auf das Rad deute. Unterhaltung mit Händen, Füßen und einem Salat aus deutschen, englischen und russischen Wörtern. Am wichtigsten und schönsten aber breites Grinsen und viel Lachen auf beiden Seiten. Jedes mal.
Heinrich meint: "NASCHDROVJEEEEEEEeeeeee!!!11!!"
(Heinrich hat sich vorgenommen jede Vodkasorte zu probieren die wir im Supermarkt oder магазин finden können. Leider wirkt sich das höchst negativ auf seine Kommunikationsfähigkeit aus. Auch sein Fell glänzt grad nicht mehr so...)
Russland: Murmansk
[23.08.2012 11:23:40 | Russland | Ein Kommentar]
Lippen schmal, Makeup dezent, Frisur extrem akkurat. Prototyp einer russischen Grenzbeamtin, direkt einem 70er Jahre Agentenfilm entsprungen. Drei, viermal vergleichen eisgraue, ausdruckslose Augen Passbild mit Wirklichkeit. Drei, viermal knallt ein Stempel. Bild und Wirklichkeit stimmen wohl ausreichend überein.
„Open, open, open, open“. Dabei deuten befehlsgewohnte Finger auf meine Packtaschen. Gründlich ist er nicht, eher neugierig interessiert, fragt in gebrochenem Englisch nach Route und Ausrüstung. Zwei Stunden, 25 Minuten später rollen die Reifen über russischen Asphalt. 25 Minuten Grenzkontrolle, 2 Stunden Zeitverschiebung. Moskauzeit.
Nach 15 Kilometer ein Kontrollposten, hier endet das Grenzsperrgebiet. Geharkter Sandstreifen, Stacheldraht, Bewegungsmelder, Kameras, Halogenstrahler. Der „Grünstreifen“ am Straßenrand für einige Kilometer. Für die erste Nacht verkrieche ich mich weit im Wald. Sehr weit. Unnötig. Auf den ersten 60 Kilometer zähle ich am nächsten Tag 6 Autos. Kaum verwunderlich, ist die Nebenstraße bisweilen Sandpiste.
Murmansk. Durch gefühlte 6000 pro Kilometer schlängelt sich ein großer Audi SUV. Nebenan am Steuer Iftikhar, Vertreter des „neuen“ Russlands. Erfolgreicher Businessmann, Besitzer zweier Fitnessstudios, eines Hostels, ein paar Apartments, Hoffnung auf einen hohen Posten in der Verwaltung. Er möchte sein Englisch verbessern, ich Murmansk kennenlernen. Iftikhar zeigt mir die Stadt, die Sehenswürdigkeiten, die versteckten Plätze, nebenbei erledigt er was er zu tun hat. Eine alte Radiostation mit grandioser Aussicht auf Murmansk, seine Studios, Monumente, Plattenbauten, Flugzeugträger, Baumärkte, Atomeisbrecher, Supermärkte, Restaurants, Computerläden, der Lieblingsgrillplatz hinterm Hügel. Tiefe Einblicke, bleibende Eindrücke.
Heinrich meint: „Oh herrlich! Die Elchdamen verteilen sich zwar etwas, dafür gibt’s aber ungestörte, weite Wälder mit sehr leckerem Grünzeug, eine Vodkaauswahl zum niederknien (3 volle Regale sind keine Seltenheit!) und Kippen zu sehr Elchfreundlichen Preisen… So kann Elch es aushalten.“
Norwegen: Tromsø bis Kirkenes
[07.08.2012 10:56:05 | Norwegen | Keine Kommentare]
Campingplatzcafé Tromsø, später Nachmittag, Internetverbindung gut. Morgen geht es weiter. „There is a phone call for you“. So dämlich habe ich selten jemanden angeguckt. Die junge Frau von der Rezeption guckt genauso dämlich, streckt mir das Telefon hin. Am anderen Leitungsende Lisa, unterwegs mit Schwester Jule auf dem Rad, Oslo - Nordkap. Seit den Lofoten sind wir uns immer wieder über den Weg gefahren, waren auch auf dem Campingplatz, wussten dass ich noch einen Tag wegen meinem Visum bleibe. Kurze Story: heute Morgen weiter, Schlauch kaputt, Mantel kaputt, letzter Bus zurück nach Tromsø abgefahren, am Campingplatz anrufen, fragen ob ein rotbärtiger Typ mit Notebook rumsitzt, Treffer.
Ich fahre in die Stadt, Schlauch und Mantel kaufen, Auslieferung am nächsten Tag per Fahrradkurier, schnalle den Mantel oben aufs Gepäck. Ehrensache. Irgendwann am nächsten Mittag zwei Räder am Straßenrand, Lisa und Jule haben gerade zusammengepackt. Mantel und Schlauch montiert, fahrbereit. Zusammen weiter, abends Einladung zu Spaghetti.
Anstiege und Abfahrten im Regen, die Straße kürzt Landzungen ab, bevölkert von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen. Das Wetter nordisch wechselhaft, Glück mit dem Wind, nur schwach oder von hinten.
Am Nordkap. Auf einem Campingplatz ausruhen, sortieren, weiterplanen, schwimmen gehen auf 71° Grad Nord. Faulheit und die Wettervorhersage siegt, mit der Hurtigrute von Honnigsvåg bis Kirkenes. Zielgruppe: Kreuzfahrtaffine Menschen im Ruhestand. Ich falle auf, zu jung, zu lang der Bart, eine Fahrradtasche, keine Kabine. Gespräche kreisen um vergangene Zeiten, aktuelle Krankheiten, kurze Zukunft. Schlafen im Panoramasalon, grandioser Aussicht, sehr kurze Nacht.
Sonntag in Kirkenes. 4900 Seelen schlafen, Geschäfte, Cafés geschlossen. Im Naherholungsgebiet für zwei Nächte verkriechen, Kocher putzen, Hose nähen, große Fahradinspektion, Dokumente richten. Eine Nacht Couchsurfen bei Arve, Wäsche waschen, Pizza & Bier, quatschen, aufwärmen. Die letzten Tage waren kühl, feucht.
Nieselregen, dunkle Wolken auf dem Weg zur russischen Grenze. Ein Bus steht vor davor, die Passagiere machen Fotos, schauen ungläubig hinterher wie ich am „Schengen Border“ Schild weiterfahre, eben nicht umdrehe wie alle anderen. Der norwegische Beamte schaut kurz in den Pass, „Murmansk?“ „yes“ „have a nice Trip“. 200 Meter Niemandsland bis zu einem grauen Gebäude mit kyrillischer Beschriftung: Российская Федерация.
Heinrich meint: „Wenig Elche in dem Gebiet. Sehr wenig. Wir lassen uns halt nicht unbedingt mit Steuererleichterungen in den hohen Norden locken, saftiges Grün ist uns da wichtiger. Stefan jammert ein bisschen viel über das Wetter, der soll sich mal ein dickeres Fell zu legen, mir macht das schließlich auch nix aus. Und warum er ausgerechnet das blöde Schiff nehmen musste! 2 Tage lang musste ich hinterher mein Fell Putzen! Und hat er denn die Preise an der Bar nicht gesehen???“
Hinweis: die Norwegeninfos sind online.
Punkt #122 erreicht
[26.07.2012 14:41:23 | Norwegen | Ein Kommentar]
Nordkap. Sagenumwobener Name, Ziel vieler Reisen, Ziel vieler Reisenden. Nur leider weder der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes (ein Fjord weiter) noch der nördlichste Punkt Europas (sehr viel weiter nördlich, ein paar Inselchen im Polarmeer). Immerhin: nördlichstes Ende des europäischen Straßennetzes. Vorausgesetzt wenn man keine Fähre verwenden will. Zumindest seit es einen Tunnel zur Nordkapinsel gibt… Eine beliebte Touristenattraktion zeichnet sich ja gerne mal durch gutes Marketing, ein fotogenes Motiv und eine nette Geschichte aus. Oder wie ein Norweger nüchtern meinte: „die nördlichste Ecke wo wir ordentlich Platz für nen richtig großen Parkplatz hatten“.
Mit dem Rad durchaus eine Herausforderung: zu zwei steilen Anstiegen gesellen sich ein tiefer langer Tunnel (bis -212m, 7km), einige kurze Ab- und Aufstiege, der ein oder andere Liter Regen und natürlich Wind aus verschiedensten Richtungen in variablen Stärken. Das ganze komprimiert auf 50, 60km.
Ob mich der junge Mann an der „Mautstation“ kurz vorm Parkplatz aus Nettigkeit kostenfrei durchgewunken oder mir ein unbekannter Auto / Wohnmobilfahrer den Eintritt (160 NOK) spendiert hat weiß ich nicht. Danke!
Nach 101 Tagen, 5608km und über 42.000 Höhenmeter fahre ich am 24. Juli die letzten Meter bis zum berühmten Globus. Das obligatorische Foto muss sein, Rundgang durch das Nordkaphaus. Die Wolken hängen tief, Wind treibt feine Regentropfen vor sich her. Bustouristen lassen sich bei einem Glas Nordkapchampagner und einem Krabbencocktailhäppchen ihr „ganz persönliches Nordkapzertifikat“ (500NOK) überreichen. Ein israelischer Radler lädt mich zu einem arabischen Kaffee ein, ein Supermarktblaubeerkuchen rundet die kleine Feier ab. Stilecht sitzen wir Wind- und Wettergeschützt unterhalb des Panoramarestaurants draußen auf dem Boden, den Benzinkocher vor uns.
Eine letzte Runde mit dem Rad um den berühmten Globus, dann drehe ich den Lenker nach Süden.
Heinrich meint: „Öde. Öööööde. Außer ein paar billigen Elchaufklebern im Souvenirshop keinerlei Elche. An der Bar wollte ich mit dem alten „hinter dir ein dreiköpfiger Affe“ Trick ein paar Tropfen Nordkapchampagner zu stibitzen. Hat nicht funktioniert, der jung Mann kannte den schon. Grog wollte er mir auch keinen verkaufen. Frische Triebe zum knabbern werden auch nicht gereicht. Nicht wirklich ein auf Elche ausgerichtetes Touristenziel. Aber von der Klippe kann man schön runterspucken!“
Norwegen: Lofoten bis Tromsø
[18.07.2012 19:23:58 | Norwegen | 5 Kommentare]
Eine weiße Wand als Begrüßung. Nebel auf den Lofoten. Irgendwann nachts ein kurzer Blick auf die schroffe Küste, Appetit auf mehr. Viel mehr. Schmale Straßen führen an der Küste entlang, die Wohnmobile geben sich die Seitenspiegel in die Hand.
Im Hostel warten bis das russische Visum eintrifft, bei bestem Wetter Ausflüge in die Umgebung, herrliche Aussichten genießen, fangfrischen Fisch im Hafen kaufen, lange schlafen. Das Visum trifft nicht ein, die deutsche Post schickt die Unterlagen scheinbar stilecht mit dem Rad los. Weiterfahren ohne Visum.
Ob man im Süden, Norden, Westen oder Osten einer der vielen Inseln entlang fährt wechselt alle paar Minuten. So der Wind, schiebt von hinten, drückt von der Seite, schüttet einen steilen Berg vor dir auf.
Dunkel wird es schon seit Wochen nicht mehr. Die Sonne zwei, drei Grad über dem Horizont. Mitternachtssonne. Unglaubliches Licht über Stunden.
Die Wohnmobile werden irgendwann weiter nördlich weniger, ganz reißt der Touristenstrom aber nie. Abseits der einzig großen Verbindungsstraße weiter durch strömenden Regen. Ich fahre nicht allein, an einer der Fähren habe ich mich mit Eric aus Frankreich zusammengetan, Kristian aus Deutschland stößt später dazu. Über Tage sind wir uns immer wieder begegnet. Die Straßen schlängeln sich am Wasser entlang, kurze Pässe hoch und runter, schnurgerade durch manchen Tunnel.
Nass in Tromsø. Die Wohnmobilmassen sind wieder da. Wir teilen uns eine Hütte, trocknen, waschen, duschen, Füße hochlegen, essen länger als wir schlafen.
Noch drei weitere Tage spannt mich die Post auf die Folter. Jetzt endlich habe ich mein Visum in der Hand. Zurück auf die Straße, Morgen.
Heinrich meint: "Erstaunlich. Elche auf Inseln im Meer. Wer hätte das gedacht! Und soo viele nette Leute die einen zum Wein, Bier, Wodka oder tschechischen Spezialitäten einladen… Da könnte man echt in Versuchung kommen länger zu bleiben. Nur sind die Touristen – und mit ihnen die leckeren Spirituosen aus aller Welt – bald wieder weg und nur die exorbitanten Preise im Vinmonopolet bleiben. Ärgerlich. Da helfen auch die netten Berge und schönsten Elchedamen nicht wirklich…"
Info: die ganze Strecke von der äußersten Lofotenspitze bis Tromsø (via Andenes) ist eine einzige Empfehlung. Ich wüßte nicht was ich als ToppTipp herauspicken könnte.
Aber das Hostel in Ballstad ist unbedingt einen Link wert: http://lofoten-diving.com/
Neues auf showmethewolrd: Zahlen, Fakten, Infos
[08.07.2012 00:09:58 | Norwegen | Ein Kommentar]
Während ich gerade in einem wunderbaren Hostel auf mein Russisches Visa warte (die Post lehrt mich mal wieder Geduld…) habe ich die Zeit genutzt und meinen Datenwust und die Erfahrungen der letzten Wochen und Monate durchkämmt, geordnet und in nutzbare Form gebracht. Herausgekommen ist eine kleine Datenbank mit allerlei Informationen, Tipps und Erfahrungen zu den bisher bereisten Ländern.
Eine Übersicht über die gesamte Route mit ausführlichen Angaben zu der zurückgelegten Strecke (Kilometer, Durchschnittsgeschwindigkeit, Höhenmeter, Fahrzeit und vieles mehr), wie oft ich wie übernachtet habe, wie viele und welche Pannen usw. findet sich auf der Startseite unter Info – Zahlen, Fakten, Statistiken.
Für die bisher bereisten Länder gibt es Unterseiten, auf denen die ganzen Infos dann für das ausgewählte Land ausgegeben werden (damit man schauen kann wo die böstesten Berge, die meisten Pannen und die wenigsten Hostels warten…), dazu gibt es noch eine ganze Reihe weiterer (subjektiver) Infos zum Radfahren, Essen & Trinken, Campen & Schlafen, Wind & Wetter, Navigation & Karten, Preise & Ausgaben, meine persönlichen Highlights und last but not least den GPS Track der Strecke zum selber nachradeln :-)
Bisher online sind:
Zahlen, Fakten, Statistiken - Deutschland
Zahlen, Fakten, Statistiken - Dänemark
Norwegen: Steinkjer bis Bodø
[04.07.2012 04:59:46 | Norwegen | 8 Kommentare]
15 Minuten dauert die freudige Abfahrt Richtung Küste bis dem Hinterrad die Luft ausgeht. Reifen flicken in einer Parkbucht. Ein paar Meter weiter hatte ein LKW weniger Glück, der Anhänger liegt am Abgrund. Autofahrer können sich nicht entscheiden was nun die größere Attraktion ist, fahren langsam vorbei, stoppen.
Entlang der Küstenstraße Fv17 nordwärts. Auf und ab, das Schaltwerk klackt im Sekundentakt. Keine hundert Meter im gleichen Gang. Die Landschaft wird spektakulärer, Tag für Tag, Meter für Meter. Staunend bleibt der Mund offen, die Augen hängen an gletschergehobelten Monumenten, Skulpturen natürlicher Schönheit. Ab und an schlägt eine Bodenwelle den Blick zur Straße, nur um Sekunden später wieder Richtung Meer, Fjord, Gebirge zu verschwinden. Hoch über einem Fjord steht das Zelt, sitze lange davor. Kann mich nicht sattsehen an der Bühne aus Meer und Fels auf der Wolken und Sonne ein verrücktes Schauspiel in unendlichen Akten aufführt. Spielpause 3 Minuten, Sonnenuntergang 1:08 Uhr, Aufgang 1:11 Uhr, Logenplatz, Eintritt frei.
Fähren als Nadelöhr, Treffpunkt und Pausen und Informationsplatz. Einige Radler sind unterwegs, mal kürzer, mal länger. Ein Stück zusammen fahren und quatschen, an der nächsten Fähre oder Supermarkt wieder sehen, mal gemeinsam Campen, Abendessen. Egal ob kurz oder lang, immer herzlich, immer informativ, immer interessant, immer spannend.
Viele Grüße und gute Fahrt an die beiden Franzosen (to swim or not to swim..?!) Amsterdam -> Nordkap, den norwegischen („Mr. Statoilcup“) Kurztripradler, Sebastian („fu*** fast“) Holland -> Nordkap (http://northcape2012.blogspot.no/), die beiden deutschen (meinen größten Respekt: 57 und 71, rund um die Ostsee), die Gruppe Tschechen auf Kurzurlaub („what a big flag!!“) und die ganzen anderen verrückten Radler!
Vielen Dank für die netten Gespräche, Begegnungen und manch eine Einladung von der motorisierten Fraktion, z. B. die Schweizer Familie (klappt der Kopfstand…?), Hanspeter („das Rad kenn ich doch“) aus der heimatlichen Gegend mit Vesper und Gutedel. Und die unzähligen Kaffees, Snacks und sonstiges von den vielen Namenlos gebliebenen!
Heinrich meint: "bei der Landschaft klappt mir die Oberlippe noch weiter runter! Und die Elchdamen… Olálá oder wie der Franzosenelch auch immer sagen mag. Nur die Preise für die wichtigen Dinge des Lebens sind unerhört und meiner Meinung nach Elchrechtsverletztend! Nur gut dass Stefan grad eine faule Phase einlegen will, da kann ich mir leckeren Moltebeerschnaps ansetzten..."
Infos: die offizielle Seite zur Straße: www.kystriksveien.no. Für Radler interessant: www.radreise-wiki.de/Trondheim_-_Nordkap. Die Strecke ist wirklich sehr hügelig und es kommen einige Höhenmeter zusammen. Der Verkehr hält sich in Grenzen (außer um Steinkjer und vor Bodø), meist kommt er Stoßweise wenn mal wieder eine Fähre angelegt hat, eine kurze Pause verschafft dann leere Straßen. Licht und Warnweste für die Tunnel nicht vergessen!
Torsby bis Norwegen
[25.06.2012 16:49:53 | Norwegen | 4 Kommentare]
Nach Torsby beginnt, was - für mich - Schweden ausmacht. Endlose Wälder, tiefblaue Seen, Berge weiß bestäubt, baumlos. Fjelllandschaft. Abseits der wenigen Hauptverbindungen kaum Fahrzeuge, umso mehr Schotter. Die Straße meist in die Landschaft gebaut, nicht durch. Dementsprechend wellig, selten mehr als 100 Meter im gleichen Gang, das Schaltwerk klickt im Sekundentakt. Punkt #1 bringt mich weit ins Fjell abseits der großen Nord-Süd Verbindungen. Ein Schlenker führt nach Frösön. Outdooraffinen Equipmentfetischisten als Sitz Hilleberg‘s bekannt, einem bekannten Zelthersteller. Als Besitzer eines solchen darf ein Besuch dort nicht fehlen, Führung, Kaffee, Kekse, nettes Gespräch, Händeschütteln.
Das nahe gelegene Östersund bietet was ein Reisender braucht, Geschäfte aller Art, günstiges Hostel, Kleinstadtatmosphäre. Keine Großstadtverlockungen. Ein paar Tage „frei“.
Weiter auf kleinen Straße Richtung Norwegen. Einen völlig verregneten Tag im Zelt verbringen, die reine Luft danach genießen. Der Grenzübergang völlig unspektakulär, ein Schild am Straßenrand, Punkt. Ende des schwedischen Schotters, beginn des norwegischen Asphalts. Direkt am Schild. Den Radler freuts.
Heinrich meint: "endlich. Schweden. SCHWEDEN! Elche wohin Du gucken kannst! Meine Familie stammt aus der Gegend. Mit alten Bekannten kann ich mal wieder so richtig feiern! Stefan erzählt zwar was von weiterfahren, die Flausen werd ich ihm aber schon noch austreiben. Wir bleiben. Komme was da wolle!"
Punkt #1 erreicht
[12.06.2012 22:42:19 | Schweden | 8 Kommentare]
Revbua. Meine „Einstiegsdroge“ in das Leben draußen.
Das dritte mal bin ich hier. 2003 unterwegs im Kanu zusammen mit Martin und Thomas. Die letzten Tage der wunderbaren Bootstour verbrachten wir in dieser Hütte, genossen Umgebung, Sonne, Stille, das einfache Leben weitab der Zivilisation. Ziemlich nahe am kanadischen Blockhüttentraum meiner Jugendjahr, frei, selbstbestimmt, „draußen“.
2006 kam ich wieder, mit Ski und Pulka Einsamkeit, Antworten suchend. Reicht es 3, 4 Wochen im Jahr meinen Traum zu berühren? Was möchte ich tun, sehen, riechen, spüren, leben? Wie dahin kommen?
„Die Welt sehen“ war die erste, einfachste Antwort. Mit dem Rad um die Welt? Klingt gut! Aus eigener Kraft, billig, kein Käfig, einfach, umweltfreundlich. Ein wilder Haufen an Ideen, Konzepten entstand. Hier in der Revbua ließ ich mir ein paar Tage Zeit den Haufen zu sortieren, auf Tauglichkeit zu prüfen, zu konkretisieren. Das Konzept dieser Webseite entstand, ein Fahrplan hin zur Realisierung der Tour aufgestellt. Wieder daheim begann die Umsetzung. Auto ab-, Rad angeschafft. Finanzplan erstellt. Haushaltsbuch geführt. Fernseher rausgeworfen. 2010 dann der letzte „reality check“, abseits der üblichen Routen allein durch Island. Die Rückkehr fiel schwer. Unendlich schwer. Testbestanden. Summa cum Laude
Ab dann: kein Urlaub, keine Extras, Überstunden.
Am 5.6.2012, nach 3312 Kilometern mit dem Rad und 17 zu Fuß steht die Hütte wieder vor mir. Aus Träumen, Ideen, Vorhaben ist Realität geworden. Endlich.
Der Weg hierher, mal steinig, mal sumpfig, bergauf, bergab, führt durch eine grandiose Landschaft. Alte, knorrige Fichten, kleine, krüppelige Birken, weiß gezuckerte Berge, klare, tiefe Seen. Zwei Kanuten laden mich an einer Übertragestelle zu Kaffee und Pfannenbannok ein. An der Hütte richte ich mich ein, entzünde den Ofen, koche Tee, säge und hacke Holz, genieße wieder das einfach Leben. Zwei Nächte bleibe ich, Zeit zum Schreiben, Rückschau, Vorschau, genißen, Seele baumeln lassen.
Am zweiten Abend findet sich eine kleine Gruppe aus Deutschland ein. Mit dem Kanu sind sie unterwegs, produzieren ein Outdoor-Gourmet-Kochbuch (!!). Sie laden mich ein, servieren ein drei Gänge Wildnissterne Menü. Fangfrische Forelle im Mandelmantel mit Aprikosencreme. Entenbrust vom Feuer mit Rösti und Aprikosen Chutney. Karamelisierter Grießschmarrn mit Sauerkirschsoße. Welch Abwechslung zu meiner üblichen Spaghetti – Kartoffelbrei Diät.
Doch am nächsten Morgen juckt sie schon wieder, diese Neugierde auf das was hinter der nächsten Kurve wartet. Ich verabschiede mich, laufe zurück zum Rad und ziehe weiter.
Heinrich meint: "Mehr Schweden geht eigentlich fast nicht mehr. Unglaubliche Landschaften, das Wasser aus den Seen schmeckt besser als so manches Bier, das Gras ist Saftig, viele Rentiere mit denen Elch seine Späßchen treiben kann und die Elchdamen… hmmmm…"
Wer selbst das Rogengebiet erkunden will, der findet in den Tourberichten (Kanu 2003, Winter 2006) ein paar Anregungen und im Wiki der Outdoorseiten weitere sehr gute Informationen.
Schweden – Ystad bis Torsby
[29.05.2012 12:46:22 | Schweden | 3 Kommentare]
Gelbe Rapsfelder, blauer Himmel, frischgrüne Wälder, rote-weiße Häuser, sanft geschwungene Hügel – Südschweden. In Lund komme ich für ein paar Tage bei einer Freundin unter, lande auf einer schwedischen Fete, das Rad rollt ab und an ohne Gepäck durch die Landschaft, das Notebook läuft heiß, die Beine ruhen meist.
An der Westküste bis Göteborg, die Wege gut ausgebaut, die Städte abwechslungsreich (Helsingborg ist sehr empfehlenswert!), das Wetter hervorragend. Ein Bad im Meer, das Zelt daneben. Ab Göteborg wird die Landschaft langsam „schwedischer“, die Hügel steiler, Seen statt Rapsfelder, Birken und Fichten statt Mischwald, immer häufiger Schotter statt Asphalt. Wälder statt bebauter Fläche. Auf und ab durch gletschergeschliffene Landschaft. Abends bleibt der Schmutz des Tages in einem der vielen Seen, ein traumhafter Lagerplatz reiht sich an den nächsten. Die Nächte werden immer Heller, die Stirnlampe wandert tiefer in die Taschen. Nur der unstillbare Blutdurst der Mücken…
Mein Abreißkalender ist ein ringgebundenes, schwedisches Kartenwerk, jeden Tag ein bisschen dünner. Beim Tagebuch schreiben muss ich das Datum vom gestrigen Eintrag nachschlagen. Und selbst das stimmt nicht immer. Der Wochentag? Egal, schwedischen Läden haben auch Sonn- und Feiertags brauchbare Öffnungszeiten. Reiseflow.
Heinrich meint: „hier bin ich Elch, hier darf ich sein“.
(Alles weitere was Heinrich bisher in Schweden von sich gegeben hat, lässt die Grenzen des guten Geschmacks sehr weit hinter sich. Seit wir schwedischen Boden betreten haben ist Heinrich wie ausgewechselt. Ständig faselt er von „diesem herrlich süßlichen Duft nach Elchdamen“, versucht mich in Richtung Norden weiter zu treiben, grölt schwedische Liebeslieder und weckt mich Nachts durch Brunftgebrüll – oder was er davonhält. Er hat versucht mit meinen Kreditkarten Abos einschlägiger Zeitschriften (Playmoose, Super Elk Revue etc.) zu ordern („rein zu Studienzwecken!“), wollte sich einer Viking-Metal-Band anschließen (um sich „liebevolle, eingehend und nächtelang um die Groupies zu kümmern“), hängt sich Schilder mit nicht druckreifen Sprüchen ins Geweih. Pubertät nehme ich an. Ein Ende (vorerst?) hat es gestern gefunden als neben der Straße eine Elchdame auftauchte. Heinrich war nicht zu halten, brüllte „Ich liebe Dich!!!“, sprang vom Rad und preschte mit großen Sätzen ins Gebüsch. Ein paar Stunden später ist er wieder aufgetaucht. Debiles Grinsen, Kippe im Maul, zerzaustes Geweih. Seit dem schläft er.)
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